LEBEN AM ENDE DES ANALOGEN ZEITALTERS
Leseprobe:
..... Jetzt hör ich wen rufen: »Mensch, hat doch keine
Seele, was der da schreibt«, und da sag ich: »Kann ja
auch keine haben, Seelen gibt´s ja gar nicht!«
Man muss sich das nur mal durchrechnen, dann wird das
doch alles klar:
Tiere haben natürlich keine Seelen - außer Delphine, wenn
man Frauen mit Batik-Röcken und Keramik-Enten im
Wohnzimmerregal Glauben schenken will. Aber die Delphine
lasse ich jetzt mal außer Acht, das wird sonst alles zu
kompliziert. Vereinfachen wir und unterwerfen wir uns der
miesepetrigen Vorstellung, nur wir von der Spezies Homo
Sapiens hätten Seelen. Ich meine, jeder nur eine,
schließlich hat jeder von uns auch nur einen Reisepass,
abgesehen von Drogenkurieren und Doppelagenten und Paris
Hilton, aber auch die müssen wir hier vernachlässigen,
sonst kommen wir nicht zu Rande mit dem Ganzen und wir wollen
ja auch irgendwann mal ins Bett.
Also eine Seele. Gut.
Als Gott Adam und Eva erschaffen hat, gab´s also zwei
Seelen. Nur zwei? Das erste Paradoxon. Aber ich werfe jetzt
nicht die Flinte ins Korn, sondern drehe das Rad der Zeit
zurück bis, sagen wir mal, hunderttausend vor Pilatus. Da
zogen geschätzte zweihunderttausend Hominiden über den
Erdball und hinterließen jede Menge Müll - im Gegensatz zu
heute aber biologisch abbaubaren. Nehmen wir des Weiteren an,
die hatten jetzt jeder plötzlich eine Seele, obwohl sie gar
nichts davon wussten und wir eigentlich auch nicht wissen, wo
die hergekommen sein sollen, immerhin gab´s ja von Anfang an
nur zwei. Aber wir wollen nicht kleinlich sein und notieren:
Zweihunderttausend Seelen. Da starb dann immer wieder mal der
eine oder andere und die nunmehr herrenlose Seele stieg in
den Himmel auf und kam dann irgendwie zurück, zuhause in
einem neugeborenen Weltenkind. Jetzt müssen wir
interpolieren, das kann man aber nur, wenn man
Pflichtschulabschluss hat und nicht zu viele Drogen genommen
hat die ganzen Jahre über. Aber keine Angst, wir kriegen das
hin.
Ein weiterer Hominide kam hinzu. Sobald also
zweihunderttausendundein Hominiden sich die Bäuche mit
unschuldigen Tieren vollschlugen, fehlt uns dann doch eine
Seele in der ganzen Rechnung. Nehmen wir mal an, diese
fehlende Seele stammt von einem Delphin. (Jetzt müssen wir
doch die Delphine mit einbeziehen und ich hatte schon
gehofft, uns das zu ersparen und ja, es gab schon
Delphine. Die hat DER doch am zweiten oder dritten Tag
gemacht.)
Aber noch stimmt die Rechnung. Zweihunderttausendundein
der Sprache nicht mächtigen, dafür aber beseelten Hominiden
bevölkern die Erde. Ist es wahrscheinlich, dass uns nun
immer mehr Delphine ihre Seelen schenkten, um uns die
Möglichkeit zu geben, diesen Planeten eines Tages mit
Hochhäusern für Millionen von Menschen vollzustellen,
achtspurige Autobahnen zu bauen und die Delphine mit unseren
Thunfischfangflotten zu dezimieren? Hier ein klares Nein.
So blauäugig sind selbst Delphine nicht und: Die
wollten sich ja selbst weiter vermehren, und das nicht
seelenlos. Ein krasses Seelendefizit war die Folge. Hier
trennen sich aber nun die Wege von Esoterikern und ehrlichen,
rational denkenden Zeitgenossen. Von mir aus könnten wir uns
drauf einigen, dass es nach wie vor nur
zweihunderttausendundein Seelen gibt, die, ungerecht, wie die
Welt nun mal ist, wie im Lotto verteilt werden. Eine schöne
Vorstellung wäre auch, dass Donald Trump und Robert Mugabe
gar keine Seelen besitzen, wohl aber Karl Heinz Böhm und
Helge Schneider. Das wiederum geht aber den Esoterikern gegen
den Strich. Also wie jetzt? Ich denke, hier liegt vieles im
Argen und so Manches ist noch auszudiskutieren. Es bleibt nur
zu sagen, dass hier etwas nicht stimmen kann. Bitte um
entsprechende Leserbriefe zur Klärung des Sachverhaltes.
Zusendungen mit Betreff <Seelendefizit> an den Autor.