Inhalt:

Warum nicht einen ekelhaften, durch und durch korrupten Oligarchen entführen und das Ganze ins Netz stellen? Die junge Architektin NiNi, Bürgerin Egaliens, macht sich ans Werk.


Silvio Berlusconi wird von der selbstbewussten, jungen Architektin Nicoletta (NiNi) entführt. Pardon, Mario Carponi wird von NiNi entführt, der Name Berlusconi wird im Buch natürlich nie erwähnt. Sämtliche Ähnlichkeiten sind rein zufällig. NiNi, die eine Baustelle neben dem Altersheim betreut, in dem Carponi seinen Sozialdienst anstelle einer vierjährigen Gefängnisstrafe ableisten darf, betäubt diesen und entführt ihn vom WC des Altersheims durch einen Mauerdurchbruch zwischen den zwei Gebäuden, schafft ihn in eine alte, abgewohnte Wohnung in einer angrenzenden Kleinstadt und setzt ihn dort fest. Carponi muss sich nun diverse Demütigungen durch seine Entführerin gefallen lassen. Zufällig ohrfeigt NiNi den Commendatore eines Tages mit einem Fisch und stellt diese Begegnung, so wie alle anderen auch, ins Netz. Schon am nächsten Tag ist die Kultfigur, das Mädchen mit dem Fisch, geboren, und NiNi greift nun regelmäßig zum Fisch. Egal, ob blauer Butterfisch, Makrele oder Hornhecht, im Namen des Volkes hinterlassen sie alle Spuren bzw. Schuppen in Carponis Gesicht und dieser muss nun – gezwungenermaßen – vor laufender Kamera Tag für Tag selbstkritisch seine Vergangenheit ausleuchten. Sid ist - auf einer Parallelebene – derjenige, der die Geschichte schreibt und natürlich projiziert der waschechte, aber hochintelligente Narzisst die eine oder andere Macke auf NiNi und überträgt ihr die Verantwortung für die Rache des kleinen Mannes.

DAS MÄDCHEN MIT DEM FISCH


Leseprobe:


.....sie fuhr mit dem Bike zu dem Haus, wo sie Carponi gefangen hielt. Jedes Mal rechnete sie mit dem Schlimmsten. Aufgebrochenes Schloss. Offene Haustür. Dunkler ziviler Wagen gegenüber dem Haus.

So in der Richtung.

   Aber alles war ruhig. Keine Menschenseele vermutete den Medien-Milliardär in dem abgewohnten, zweigeschossigen Bau. Sie schloss die Tür auf. Verdammt! Sie hatte keinen Fisch dabei! Und hier gab es weit und breit keinen Fischmarkt. Was tun? Sie lauschte kurz, ob aus dem Keller Geräusche kamen, verschloss die Tür wieder und ging zwei Straßen weiter. In einem kleinen Supermarkt stöberte sie in der Kühlabteilung, fand aber nichts Entsprechendes. In der Tiefkühlvitrine lag eine einsame, steinharte Forelle zwischen Packungen mit Pommes-Bär-Frites.

Hatte sie schon mal Forelle?

   Nein, Forelle war neu und nach all den Seefischen eine gelungene und erwünschte Abwechslung. Nur: Es musste jede Woche ein anderer Fisch sein, das war ihre einzige Bedingung und Herausforderung an sich selbst, was das Zubehör für ihre Befragungen des Commendatore anbelangte. Die Regenbogenforelle machte ihrem Namen alle Ehre, schillerte in allen Farben. Product of Austria. Verdammt, gab´s keine Forellen mehr in Egalien?

    Natürlich konnte sie den Fisch nicht einfach bezahlen und hoffen, dass ihr niemand auf die Schliche kam. Jeder achtete heutzutage in diesem Land darauf, wer wann alleine Fische kaufte. So steckte sie ein paar Äpfel, Karotten und einen Laib Brot in ihren Einkaufskorb und dazu noch ein wenig Käse. Die Forelle verschwand in der Innentasche ihrer Jacke. Jetzt hieß es, schnell rauszukommen. Sie kannte die Geschichte einer alten Dame, die in der Hauptstadt ein Tiefkühlhuhn unter ihrem Filzhut versteckt hatte und dann ohnmächtig zusammengebrochen war, weil sie in der Schlange vor der Kassa hatte warten müssen. Das würde ihr nicht passieren. Rein. Fisch einstecken. Zahlen. Raus. Wie jeden Tag. Wenig später legte sie die Forelle in einen Kübel mit heißem Wasser. In den Kübel. In Carponis Waschkübel. Zuerst hätte er gerne protestiert, entschied sich dann aber gegen die Möglichkeit, sich eine weitere Strafwoche einzuhandeln und sah murrend zu, wie NiNi die Forelle mit seiner Tasse beschwerte, damit sie richtig unter Wasser geriet und besser auftauen konnte. Dann rückte sie die Kamera zurecht und begann mit Konversation.

   »So. Können wir uns heute über dein Vermögen unterhalten?« Wie immer stellte sie keineswegs Fragen und Carponi wusste dies. Das Fragezeichen war eine Verzierung, rein rhetorisch.

»Hmh.«

»Ist aber nicht sehr freundlich. Sagen das Commendatores heute so? Hmh? Einfach: Hmh?«

»Nein, ich meinte: Bitte, unterhalten wir uns über mein Vermögen.«

»Siehst du, schon haben wir den Schlamassel. Es ist nicht dein Vermögen. Das verdammte Geld gehört dir nicht. Und auch nicht die Immobilien, Aktienfonds, Fernsehsender und Beteiligungen an Finanzkonstruktionen da und dort. All dies gehört dir nicht.«

»Nicht?«

  NiNi ging zur Tafel und machte einen Strich. »Einhundertachtundvierzig. Einhundertachtundvierzig Wochen zusätzlich zu deinen vier Jahren hast du dir jetzt schon eingehandelt. Fast drei Jahre. Wie soll das weitergehen? Glaubst du, ich scherze, wenn ich hier schweren Herzens meine Striche mache. Und denkst du etwa, es macht mir Spaß, mir vorzustellen, dass ich dich die nächsten sieben Jahre am Hals haben werde. Glaubst du vielleicht, ich würde nicht gerne mal auf Urlaub fahren? Und was mache ich dann mit dir? Wir haben hier in Egalien keine Heime für alte, sabbernde, skrupellose Oligarchen wie dich. Soll ich dich umbringen? Ist es das, was du willst?« Sie zog die äußerlich warme, im Kern jedoch noch gefrorene, halbsteife Forelle aus dem Kübel und drohte ihm damit: »Soll ich dir die Drecksforelle in den Hals schieben, bis du daran erstickst?« Carponi blickte entsetzt auf das Schuppentier.

   »Gut, lass uns nochmal anfangen: Dein Vermögen gehört dir nicht. Unrechtmäßig angeeignet, so nennt man das, wenn einer Milliarden angehäuft hat. Sind wir da einer Meinung?«

Carponi sah mit einem Auge zur Tafel und nickte: »Ja, ja. Wir sind uns einig.«

    Probeweise gab sie Carponi einen Klaps auf die linke Schulter und es sah danach aus, als wenn der Fisch soweit wäre. Für die Zuseher und aus Gewohnheit knallte sie dem Oligarchen links und rechts eine. Die Rotverfärbung der Backen stellte sich sofort ein. Carponi beschwerte sich nicht, im Gegenteil.
    »Verzeihen sie, ich ließ mir etwas sehr viel Zeit mit meiner Antwort. Sie haben recht. Ich habe mein Vermögen widerrechtlich angeeignet.«
    NiNi hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt und hielt mit der Rechten den Fisch an der Schwanzflosse, so dass es aussah, als hätte sie eine Waffe im Halfter und wartete darauf, dass der andere zog.
    »Weiter!«
    »Begonnen hat alles mit der Mafia ..... «