DAS MÄDCHEN MIT DEM FISCH
Leseprobe:
.....sie fuhr mit dem Bike zu dem Haus, wo
sie Carponi gefangen hielt. Jedes Mal rechnete sie mit dem
Schlimmsten. Aufgebrochenes Schloss. Offene Haustür. Dunkler
ziviler Wagen gegenüber dem Haus.
So in der Richtung.
Aber alles war ruhig. Keine
Menschenseele vermutete den Medien-Milliardär in dem
abgewohnten, zweigeschossigen Bau. Sie schloss die Tür auf.
Verdammt! Sie hatte keinen Fisch dabei! Und hier gab es weit
und breit keinen Fischmarkt. Was tun? Sie lauschte kurz, ob
aus dem Keller Geräusche kamen, verschloss die Tür wieder
und ging zwei Straßen weiter. In einem kleinen Supermarkt
stöberte sie in der Kühlabteilung, fand aber nichts
Entsprechendes. In der Tiefkühlvitrine lag eine einsame,
steinharte Forelle zwischen Packungen mit
Pommes-Bär-Frites.
Hatte sie schon mal Forelle?
Nein, Forelle war neu und nach all
den Seefischen eine gelungene und erwünschte Abwechslung.
Nur: Es musste jede Woche ein anderer Fisch sein, das war
ihre einzige Bedingung und Herausforderung an sich selbst,
was das Zubehör für ihre Befragungen des Commendatore
anbelangte. Die Regenbogenforelle machte ihrem Namen alle
Ehre, schillerte in allen Farben. Product of Austria.
Verdammt, gab´s keine Forellen mehr in Egalien?
Natürlich konnte sie den Fisch
nicht einfach bezahlen und hoffen, dass ihr niemand auf die
Schliche kam. Jeder achtete heutzutage in diesem Land darauf,
wer wann alleine Fische kaufte. So steckte sie ein paar
Äpfel, Karotten und einen Laib Brot in ihren Einkaufskorb
und dazu noch ein wenig Käse. Die Forelle verschwand in der
Innentasche ihrer Jacke. Jetzt hieß es, schnell
rauszukommen. Sie kannte die Geschichte einer alten Dame, die
in der Hauptstadt ein Tiefkühlhuhn unter ihrem Filzhut
versteckt hatte und dann ohnmächtig zusammengebrochen war,
weil sie in der Schlange vor der Kassa hatte warten müssen.
Das würde ihr nicht passieren. Rein. Fisch einstecken.
Zahlen. Raus. Wie jeden Tag. Wenig später legte sie die
Forelle in einen Kübel mit heißem Wasser. In den
Kübel. In Carponis Waschkübel. Zuerst hätte er gerne
protestiert, entschied sich dann aber gegen die Möglichkeit,
sich eine weitere Strafwoche einzuhandeln und sah murrend zu,
wie NiNi die Forelle mit seiner Tasse beschwerte, damit sie
richtig unter Wasser geriet und besser auftauen konnte. Dann
rückte sie die Kamera zurecht und begann mit
Konversation.
»So. Können wir uns heute über
dein Vermögen unterhalten?« Wie immer stellte sie
keineswegs Fragen und Carponi wusste dies. Das Fragezeichen
war eine Verzierung, rein rhetorisch.
»Hmh.«
»Ist aber nicht sehr freundlich. Sagen
das Commendatores heute so? Hmh? Einfach: Hmh?«
»Nein, ich meinte: Bitte, unterhalten wir
uns über mein Vermögen.«
»Siehst du, schon haben wir den
Schlamassel. Es ist nicht dein Vermögen. Das verdammte Geld
gehört dir nicht. Und auch nicht die Immobilien,
Aktienfonds, Fernsehsender und Beteiligungen an
Finanzkonstruktionen da und dort. All dies gehört dir
nicht.«
»Nicht?«
NiNi ging zur Tafel und machte einen
Strich. »Einhundertachtundvierzig. Einhundertachtundvierzig
Wochen zusätzlich zu deinen vier Jahren hast du dir jetzt
schon eingehandelt. Fast drei Jahre. Wie soll das
weitergehen? Glaubst du, ich scherze, wenn ich hier schweren
Herzens meine Striche mache. Und denkst du etwa, es macht mir
Spaß, mir vorzustellen, dass ich dich die nächsten sieben
Jahre am Hals haben werde. Glaubst du vielleicht, ich würde
nicht gerne mal auf Urlaub fahren? Und was mache ich dann mit
dir? Wir haben hier in Egalien keine Heime für alte,
sabbernde, skrupellose Oligarchen wie dich. Soll ich dich
umbringen? Ist es das, was du willst?« Sie zog die
äußerlich warme, im Kern jedoch noch gefrorene, halbsteife
Forelle aus dem Kübel und drohte ihm damit: »Soll ich dir
die Drecksforelle in den Hals schieben, bis du daran
erstickst?« Carponi blickte entsetzt auf das
Schuppentier.
»Gut, lass uns nochmal anfangen:
Dein Vermögen gehört dir nicht. Unrechtmäßig angeeignet,
so nennt man das, wenn einer Milliarden angehäuft hat. Sind
wir da einer Meinung?«
Carponi sah mit einem Auge zur Tafel und
nickte: »Ja, ja. Wir sind uns einig.«
Probeweise gab
sie Carponi einen Klaps auf die linke Schulter und es sah danach
aus, als wenn der Fisch soweit wäre. Für die Zuseher und aus
Gewohnheit knallte sie dem Oligarchen links und rechts eine. Die
Rotverfärbung der Backen stellte sich sofort ein. Carponi
beschwerte sich nicht, im Gegenteil.
»Verzeihen sie, ich ließ mir etwas
sehr viel Zeit mit meiner Antwort. Sie haben recht. Ich habe mein
Vermögen widerrechtlich angeeignet.«
NiNi hatte die Fäuste in die Hüften
gestemmt und hielt mit der Rechten den Fisch an der
Schwanzflosse, so dass es aussah, als hätte sie eine Waffe im
Halfter und wartete darauf, dass der andere zog.
»Weiter!«
»Begonnen hat alles mit der Mafia
..... «